Hans-Dieter Karras

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Die Haupt-Orgel der Klosterkirche Riddagshausen

Orgelbau Alfred Führer, Wilhelmshaven, 1979

Foto: Mohammad Reza Bagheri Barahin (2024)

Foto: Mohammad Reza Bagheri Barahin (2024)

Rückpositiv (I) C-g'''
Gedackt 8' 
Quintadena 8' 
Prinzipal 4' 
Flöte 4' 
Spitzflöte 2’ 
Sesquialtera 2 2/3'+1 3/5' 
Scharff 4fach 1'
Schalmey 8'
Tremulant regelbar (adjustable) 

Hauptwerk (II) C-g''' 
Bordun 16' 
Prinzipal 8' 
Rohrflöte 8' 
Oktave 4' 
Holzflöte 4' 
Nasard 2 2/3' 
Gemshorn 2' 
Mixtur 5fach 1 1/3'
Trompete 8'
Koppel BW/HW 
Koppel RP/HW






Brustwerk (III) C-g''' 
Holzgedackt 8' 
Rohrflöte 4' 
Prinzipal 2' 
Oktave 1'
Quinte 1 1/3‘
Zimbel 3fach 1/2'
Vox humana 8'
Tremulant regelbar (adjustable)
Schweller

Pedal C-f' 
Subbaß 16' 
Prinzipalbaß 8' 
Gedacktbaß 8' 
Oktave 4' 
Hintersatz 4fach 4' 
Posaune 16' 
Trompete 8'
Koppel RP/P 
Koppel HW/P 
Koppel BW/P


Orgelhistorie der Klosterkirche Riddagshausen

Die erste Orgel der Klosterkirche Riddagshausen wurde 1619 (eine andere Quelle nennt 1610) von Heinrich Compenius dem Jüngeren (1600-1634) erbaut. Heinrich Compenius der Jüngere (ca.1565 bis 1631, Eisleben und Nordhausen) war Sohn von Heinrich Compenius dem Älteren (1525-1611). Letzterer war als Organist nachweislich bei der Totenfeier 1546 für Martin Luther beteiligt. Ausgewählte nachweisbare Orgelbauten von Heinrich Compenius d. J.: Magdeburg (1604), Riddagshausen (1619), Glaucha (1612), Merseburg (1616), Markranstädt (1617), Leipzig (1626-1630), Oschatz (1627) von denen aber fast nichts erhalten blieb. Unsere Frühbarockorgel war als sogenannte „Schwalbennestorgel“ erbaut, stand sie rechts hinter der Geschichtstafel und dem Lettner und ragte in den Kirchraum hinein. Ihre Disposition steht noch deutlich unter dem Einfluss der Renaissancemusik. Umbau und Erweiterung 1658 durch Jonas Weigel (gest.1663), mit Friedrich Stellwagen Meistergeselle des bedeutenden Orgelbauers Gottfried Fritzsche (1578-1638) aus Dresden. Nach 1658 erfolgten kaum nachweisbare Arbeiten, Jonas Weigel wird die Orgel bis zu seinem Tod betreut haben, danach wohl Betreuung durch Johann Friedrich Besser. Der in Wolfenbüttel ansässige Otto Eilhard Bathentier ist von 1687 bis 1699 an der Orgel tätig gewesen. Nach dessen Tode übernimmt der Hoforgelbauer Johann Andreas Graff die Wartung. Seit etwa 1740 pflegte der Wolfenbütteler Orgelbauer Johann Cristoph Hüsemann das Instrument. Hüsemann legte 1750 mehrere Kostenanschläge für eine Reparatur, bzw. einen Neubau vor, die aber nicht zur Ausführung gelangten. Dessen Sohn Johann Ferdinand Hüsemann, ebenfalls Hoforgelbauer in Wolfenbüttel übernahm die Pflege nach dem Tode des Vaters. Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Orgel wohl ohne Pflege geblieben. Erst 1834 ist ein Förster Raeger aus Schöningen einige Male an der Orgel tätig gewesen. 1847 empfiehlt der Braunschweiger Orgelbauer Johann Christoph Noack, der seit 1834 einen Pflegevertrag für das Instrument besitzt, wiederum einen Neubau unter Verwendung alter Pfeifen. Aus diesem Angebot geht hervor, dass die Disposition sich schon gegenüber 1658 verändert hat: HW statt Quinte 3' eine Octave 2', RP statt Regal 8' ein Gedackt 4' und im Pedal statt Bauernbaß 1' und Cornet 2' ein Violon 16‘. Der Neubau wurde jedoch wiederum zurückgestellt, weil eine gründliche Kirchrenovierung vorangehen sollte. Dieser zögerte sich allerdings noch einige Jahrzehnte hinaus und führte schließlich 1879 zum endgültigen Abbruch der Orgel. Gleichzeitig wurde in der Kapelle durch den Orgelbauer Appel aus Schöningen eine Kleinorgel (6/I+P) aufgestellt. Warum die Orgel nicht erhalten wurde, erklärt sich aus dem stark veränderten Zeitgeschmack und dem damit verbundenen anderen Klangideal und sicher auch technischen Problemen der Spieltraktur.

Nach dem Abriss der Barockorgel 1879 erhielt die Orgelbaufirma Gebr. Euler aus Gottsbühren den Auftrag zu einem Neubau mit 21 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Das alte Gehäuse des Rückpositivs wurde als Hauptwerkgehäuse und auf die Nordempore gestellt, wiederverwendet.

Pfeifen aus dem 17. Jahrhundert wurden weitgehend nicht mehr übernommen, wohl nur einige Holz- Pfeifen der Barockorgel. Der Spieltisch ermöglichte zeittypisch den Blick in die Kirche, der Spieler hatte die Orgel also im Rücken. Über die Qualität und den Klang dieses Instrumentes ist leider, außer einem Bericht von Jost Blachmann, nichts überliefert. Es entspricht sicher dem grundtönigen Klangideal der spätromantischen Orgel zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Disposition war mit nur 21 Registern für den Kirchraum zu klein, insbesondere durch die eingerückte Stellung und dem Hinterwerk, welches sich damit nochmals im Klangschatten befand.

Über einen Orgelneubau wurde seit 1974 nachgedacht und verhandelt, dabei legte der damalige LKMD Karl-Heinrich Büchsel einen Dispositionsentwurf vor, der mehr aus der Musizierpraxis kam und weniger dem der historischen Compeniusorgel entsprach. Es ist schade, dass dieser Entwurf dennoch nicht weiter berücksichtigt wurde. Später näherte man sich dann doch stark dem Barockvorbild an, was aus heutiger Sicht deutliche Einschränkungen für die Praxis mit sich gebracht hat, zumal es sich nicht um einen dediziert Historischen Nachbau mit allen Konsequenzen handelt. Auch haben wir sogar ein Register weniger als die Compeniusorgel. Der Klang unserer Orgel vermag dennoch zahlreiche Zuhörer und Künstler dank der meisterhaften Intonation von Fritz Schild zu begeistern.

Den Zuschlag erhielt 1979 die damals renommierte Orgelbaufirma Alfred Führer (1905-1974) aus Wilhelmshaven. Leider ist 2003 diese Firma in Konkurs gegangen. Einige Mitarbeiter führen eigene Firmen weiter.

2023 wurde das Instrument durch den Braunschweiger Orgelbauer Florian Fay und seine Mitarbeiter restauriert. Dabei wurde die Windversorgung und die Ansprache vieler Pfeifen verbessert. Die Manubrien erhielten neue Registerzüge auf denen nun Registername und die Nummer eingraviert sind. Auch die Koppeltritte erhielten neue und besser erkennbare Schilder. Das für den Spieler sehr laute Brustwerk bekam einen Schweller. Auch bekam die Orgel eine ungleich schwebende Temperierung nach Neidhard 1724 mit dem Temperaturmodell "Für eine kleine Stadt". Nun entspricht der Klang auch dem Erscheinungsbild mit dem schönen frühbarocken Prospekt.

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